Die Mental Load Falle – Wie Laura Fröhlich von Betroffener zur Expertin für Mental Load wurde.

Mental Load oder mentale Belastungen entstehen vor allem durch Stress „unsichtbarer Arbeiten“. Betroffen sind Menschen, die Fürsorgearbeit leisten. Ständig musst du an alles denken und alles organisieren. Wenn du es nicht tust, tut es keiner. Doch gesehen, werden diese Leistungen nicht.

Mit Mental Load Expertin Laura Fröhlich haben wir uns auch darüber unterhalten, wie du mentale Belastungen reduzieren kannst.

Laura Fröhlich und ihr Mann haben drei gemeinsame Kinder. Laura ist selbstständig als Expertin rund ums Thema Mental Load. Sie bietet Vorträge und Workshops an und hat bereits zwei Bücher dazu veröffentlicht.

Wer bist du und was machst du?

Laura: Ich bin Mental Load Expertin und habe darüber ein Buch geschrieben und ein Workbook rausgebracht. Außerdem gebe ich Workshops, halte Vorträge und habe ein Mentoring Programm für Paare entwickelt. Darin geht es darum, den Mental Load zu reduzieren und ein Familien- Organisationssystem aufzubauen.

Da ich selbst eine Betroffene dieser Themen war, bin ich auch in dieser Hinsicht Expertin. Ich weiß, wie es ist, an alles denken zu müssen. Wenn das Gedankenkarussell nie stoppt.

Das lag unter anderem daran, dass ich länger in Elternzeit war als mein Mann. Ich bin super kompetent in Sachen Alltagsorganisation. Deshalb aber auch manchmal völlig fertig war. Ehrlich gesagt, saß ich manchmal heulend in der Küche. So bin ich dazu gekommen, selbst Lösungen für meine Probleme zu finden. Das gebe ich heute weiter.

Wie viele Kinder hast du und wie alt sind sie?

Laura: Wir haben drei Kinder im Alter von sechs, neun und elf Jahren. Und alle hatten gerade Geburtstag. Wir haben alle auf einmal Geburtstag. Das Thema Mental Load und Kindergeburtstag hängt eng zusammen. Insofern bin ich froh, dass das nun wieder hinter uns liegt.

Das Gute ist, dass unsere Kinder gerade alle in einer entspannten Phase sind. Sie sind nicht mehr klein und noch nicht in der Pubertät. Das ist ein schönes Alter, da wir viele Dinge mit den Kindern unternehmen können. Sie verstehen schon viel, alles in allem ist es nicht so stressig.

War Mental Load vom ersten Kind an ein Thema bei dir oder wurde es zunehmend mehr?

Laura: Es war vom ersten Kind an so. Die Anzahl der Kinder, hat nichts mit der gefühlten Belastung zu tun. Dennoch steigen mit mehr Kindern auch die Aufgaben auf der To-do Liste. Wobei die mentale Belastung nicht nur an der Menge der Aufgaben liegt. Sondern an dem Druck, den vor allem Mütter spüren.

Der Druck war beim ersten Kind höher, vielleicht weil ich jünger war und das Eltern Wissen noch nicht hatte. Mental Load hängt nicht mit der Anzahl der Kinder zusammen.

Was ist unter Mental Load zu verstehen?

Laura: Mental Load ist die Last, an alles denken zu müssen. An alles, was Haushalt, Kinderbetreuung und Familienorganisation betrifft. Es hat vor allem was mit Fürsorge zu tun. Da fällt eine Menge an.

Wir haben alle mal Stress und mentale Belastungen. Erfolgreiche Manager*innen haben durch Stress auch eine enorme Belastung. Das ist dann aber nicht unbedingt mental Load. Denn mental Load hängt mit Fürsorgetätigkeiten zusammen. Ich nenne es immer unsichtbaren Stress. Klar ist Stress immer unsichtbar, doch mental Load meint einen Stress, der bisher noch nicht auf den Schirmen war. Wer zu Hause den Alltag organisiert, kann eine besondere Form des Stresses haben. Dessen ist man sich oft selbst nicht bewusst.

Zudem weiß die Gesellschaft oft gar nicht, dass Fürsorge Arbeit ist. Alles zu organisieren, an alles zu denken, ist für das Gehirn besonders anstrengend. Wenn das überlastet wird, dann spricht man von mental Load. Das fiese daran, ist, dass das bisher noch nicht klar war. Diesen Stress gab es schon immer, nur hatte er bislang noch keinen Namen. Darum ist es wichtig, über mental Load zu sprechen und wie es zustande kommt. Um es etwas praktischer zu machen.

Eltern kennen das, man wacht morgens auf und denkt, ich muss heute die Brotboxen richten. Ich muss noch das Kind beim Turnen anmelden. Und ich muss noh Emails von der Schule beantworten. Außerdem finden heute Abend Termine statt. Das will ich nicht vergessen. Eigentlich ist mir alles zu viel, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Doch wenn ich nicht daran denke, dann tut es keiner.

Viele kennen solche oder ähnliche Gedanken, die sehr erschöpfend sind. Und dann dazu führt, dass man sich einem Burnout nahe fühlt.

Mike: Ja und der dazu führen kann, dass man Dinge immer weiter aufschiebt. Dadurch wird die Belastung noch höher.

Ich kenne das, wenn ich eine Aufgabe vor mir habe, bei der ich mich überfordert fühle, dann gehe ich sie erst gar nicht an. Ich schiebe sie vor mir her, bis die nächste Aufgabe dazu kommt und so weiter. Irgendwann habe ich fünf, sechs Aufgaben aufgeschoben, bei denen ich mich überfordert fühle.

Laura: Ist der Berg zu groß, hat man keinen Mut den ersten Schritt zu gehen. Man hat nur den Berg vor Augen. Diese Spiral wird mit der Zeit nicht besser, sondern immer mehr.

Mental Load entsteht, wenn der Erwartungsdruck zu groß ist

Laura: Ich glaube, dieses zu viel von allem, ist ein großes Problem. Besonders bei Eltern. Übrigens, Mental Load betrifft alle Menschen, die Carearbeit machen. Also auch Angehörige, die pflegen. Oder Menschen in Fürsorgeberufen. Aber besonders Eltern haben eine hohe Belastung. Die Erwartungen an Eltern sind hoch, die Qualität der Kinderbetreuung, der Früherziehung, der Kindergeburtstage steigt immer mehr. Man hat das Gefühl, sich dem nicht entziehen zu können, was den Druck noch mehr steigert.

Wenn wir uns mal als Beispiel das Thema Kindergeburtstag anschauen. Der wird oft sehr ausufernd organisiert. Teilweise mit Motto Partys und Gastgeschenken für alle. Das kann schon unter Druck setzen, viel Arbeit bedeuten und Eltern somit zusätzlich belasten.

Auch beim Thema frühkindliche Erziehung, sollten Eltern auf sehr viel achten. Im Vergleich zu vor 20 Jahren, ist das deutlich mehr geworden.

Mit deinen Kindern hast du die mentale Load selbst gespürt. Wie kam es, dass du Expertin dafür wurdest, um auch anderen zu helfen?

Laura: Zunächst habe ich mein Problem gar nicht erkannt. Ich saß heulend in der Küche und dachte ich bring es einfach nicht hin. Und habe mich gefühlt, als würde ich laufend scheitern. Außerdem hatte ich noch ein weiteres Problem, dass vor allem Mütter kennen. Nach meiner Elternzeit bin ich nicht mehr richtig in meinen Job reingekommen. Dort wurde ich abgestellt, als Assistentin der Presseabteilung. Da mein Vertrag auslief, kam ich dann da raus. Danach habe ich mich selbstständig gemacht und hatte schon das Gefühl, ich schaffe es beruflich nicht mehr.

Dafür habe ich dann versucht als Mutter super zu performen. Alles selbst zu machen, den ganzen Bastelkram zum Beispiel. Nur bastele ich eigentlich gar nicht gerne. Ich habe es trotzdem gemacht und versucht die super Mutter zu sein. Denn ich habe mich schon beruflich so aus dem game gefühlt. Es wurde dann mehr und mehr, ich habe meine Selbstständigkeit aufgebaut, meine Familie organisiert und dabei gedacht, ich kriege es einfach nicht hin. Alle anderen schaffen es, aber ich nicht. Da war ich sehr erschöpft und müde, habe Mutterkuren gemacht, habe es mit Meditieren probiert. Ich war ziemlich verzweifelt.

So ist Laura ihrer Mental Load Falle entkommen

Laura: Erst als ich dieses Konzept kennengelernt habe, kam mir der Gedanke, dass es nicht an mir liegt. Sondern dass auf mir eine sehr hohe Belastung liegt, nämlich dadurch ständig an alles denken zu müssen. Dann habe ich auch verstanden, warum ich das viel mehr mache als mein Mann. Und warum wir deshalb auch Konflikte haben.

Wir hatten diesen einen Moment, der alles verändert hat. Der letzte Tropfen auf dem heißen Stein, war bei uns ein Urlaub. Ich habe mich auf Erholung gefreut und dann im Urlaub gemerkt, dass ich alles organisiere. Dass ich eigentlich weitergearbeitet habe, da ich den Wanderrucksack gepackt habe, mir die Abendessen überlegt habe. Der ausschlaggebende Moment war dann, als ich gemerkt habe, dass wir die Logopädie unseres Sohnes nicht gemacht haben.

Da dachte ich, nee ich kann nicht mehr. Wenn ich nicht daran denke, dann tut es keiner. Also ehrlich who cares, bei vergessenen Logopädie Übungen. Doch es war diese kleine Aufgabe, bei der ich dachte, ich kann nicht mehr. Wir müssen was ändern, ich bin wie in einer Falle. Ich habe die ganze Arbeit und muss an alles denken.

Dann haben wir den Urlaub abgebrochen und das Problem nochmal genau besprochen. Wir haben dann gesagt, dass wir was daran ändern. So ging es langsam in den Prozess aus meiner persönlichen Mental Load-Falle herauszukommen. Durch unsere Geschichte sind wir jetzt an einem anderen Punkt. Das versuche ich weiterzugeben.

Angefangen hat es bei mir durch die Erkenntnis, nicht zu denken, ich packe es nicht. Sondern zu verstehen, dass es viel Arbeit ist. Besonders Frauen sind von einer hohen Belastung betroffen. Durch Erwartungshaltungen an Eltern, an Mütter, alles zu schaffen.

Mike: Es ist schon sehr viel wert, das überhaupt benennen zu können. Ein Bewusstsein dafür zu haben und es dann auch ausdrücken zu können. Sodass man seinem Lieblingsmenschen sagen kann, was los ist und wie das Ganze heißt.

An Mental Load hat keiner Schuld

Bestimmt merken viele, dass sie davon betroffen sind, erst, wenn sie den Begriff kennenlernen?

Laura: Darum geht es bei Mental Load. Dabei sorgt es in vielen Partnerschaften für Konflikte. Durch Rückmeldungen, die ich beispielweise auf Instagram bekomme, merke ich, dass Diskussionen rund um das Thema Mental Load Beziehungen zerstören. Da sind viele Gefühle von Ungerechtigkeit und Verzweiflung auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite Gefühle von, was soll ich nur tun?

Wichtig hier ist, dass wir nicht individuell daran schuld sind. Sonst würden wir nicht alle die gleichen Diskussionen führen. Es ist gut für Paare zu wissen, dass sie da ein Thema haben, aber keiner Schuld daran hat oder beide immer nur alles falsch machen.

Sondern es gibt die Gefahr in die Mental Load-Falle zu rutschen, vor allem durch die stereotypen Rollenbilder von Männern und Frauen. Wenn man das erkennt, weiß man, dass man keine Schuld hat und beide zusammen auch wieder rauskommen können. Das ist der wichtigste Gedanke daran, anderen geht es wie uns.

In deinem Buch, die Frau fürs Leben nicht das Mädchen für alles, beschreibst du, dass Mental Load mehr Frauen betrifft. Wieso ist das so und erfahren Männer keine mentale Belastung?

Laura: Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Wir als Gesellschaft erwarten von Frauen Fürsorglichkeit. Wir sozialisieren Mädchen auf diese Weise. Manchmal ertappe mich selbst dabei, Mädchen als fürsorglicher einzuordnen. Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Wir haben eine Tochter und zwei Söhne, dann sage ich zu meiner Tochter, komm wir basteln für Oma eine Geburtstagskarte. Oder schau doch mal, dass die Jungen sich nicht so zanken. Ich übertrage ihr fürsorgliche Aufgaben unbewusst. Somit mache ich genau das, was die eigentliche Problematik daran ist.

Frauen fühlen sich für Fürsorge verantwortlich, weil wir dieses Bild von Frauen haben. Weil wir Männern oft weniger zutrauen. Was für Männer auch ungerecht und doof ist. Wir sozialisieren Frauen in dem Maße, dass sie, wenn sie Erwachsene sind unter einem besonders hohen Druck stehen. Sie sollen beruflich erfolgreich, finanziell unabhängig sein und Kinder kriegen.

Was ich sowieso ätzend finde, Frauen die Frage zu stellen, warum und ob man keine Kinder kriegen will. Und wenn sie Kinder kriegen, sollen sie fürsorglich sein, da sein und sie nicht im Stich lassen. Gleichzeitig sollen sie berufstätig und finanziell unabhängig sein. Frauen sollen so viele Dinge.

Im Bereich Mutterschaft gibt es diesen „Mythos Mama“. Die Mutter ist die einzige Person, die wirklich versteht, was das Kind braucht. Wenn die Mutter nicht immer da ist, kann aus dem Kind nichts werden. Mütter stehen unter einem enormen Druck zu performen und pausenlos für die Kinder da zu sein.

Wenn Väter auf dem Spielplatz Applaus bekommen

Laura: Väter haben auch einen enormen Stress und Mental Load ist auch für sie ein Thema. Was bei Vätern anders ist, dass sie den Druck in einem anderen Bereich haben. Nämlich Geld zu verdienen, stark zu sein, keine Schwächen zu zeigen und nicht über Gefühle zu reden. Aber sie müssen nicht dauernd fürsorglich performen.

Einige Väter kennen das, sie gehen auf den Spielplatz und werden dafür beklatscht. Im Sinne, ein Vater, der sich um die Kinder kümmert. Keiner würde Frauen dafür beklatschen, weil es normal für sie ist. Frauen kriegen eher noch einen auf den Deckel, weil sie scheinbar am Handy sind.

Deshalb ist es sehr unterschiedlich mit der mentalen Belastung. Das bedeutet aber nicht, dass Väter nicht auch Mental Load kennen und sich belastet fühlen. Aber der Faktor, Mutterschaft und Druck auf Frauen ob mit oder ohne Kinder, ist der wesentliche Aspekt beim Begriff Mental Load.

Darum sind meine Vorträge und Workshops voll mit Frauen. Ich wünschte allerdings, dass wir dieses Problem nicht mehr als Frauenproblem sehen. Sondern als ein Problem von allen und dann das Problem auch reduzieren.

Mike: Eine Lösung ist nur gemeinsam möglich. Wer es noch nicht glaubt, kann mal in einen Spielzeugladen gehen und sich das Angebot für Mädchen angucken. Es ist fast ausschließlich Fürsorge Spielzeug. Das heißt, Puppen sind nicht mehr nur puppen, sondern sie sind krank. Sie haben ein gebrochenes Bein, Fieber oder müssen gewaschen werden. Mädchen wird antrainiert, Fürsorgearbeit spielerisch zu lernen.

Zu dem Punkt Applaus für Väter auf dem Spielplatz. Ich bin viel mit unseren Söhnen durch die Stadt gelaufen. Da reicht es aus, dass ich angesprochen werde, „ein moderner Vater, wie schön.“  Und ich von der gegenüberliegenden Straßenseite Applaus bekomme, dass ich unseren dreijährigen auf den Schultern trage, während ich den einjährigen in der Trage vorne habe.

Mental Load entsteht aufgrund stereotyper Rollenbilder

Laura: Dazu fallen mir zwei Dinge ein. Weil du eben Spielzeug ansprachst, ich habe mal bei Pinkstinks gelesen, dass man sich mal Badeschaum in der Drogerie anschauen sollte. Es gibt „Piraten und Sieger“- Badeschaum für Jungen in blau. Darauf sieht man einen kleinen Piraten, der nicht zum Betrachter schaut, sondern nach links oder rechts. Er geht also seinen Weg.

Der Badeschaum für Mädchen, ist ein „Prinzessinnen“-Schaum. Allerdings kein Siegerinnenschaum. Darauf zu sehen ist eine süße Prinzessin, die den Betrachter anschaut. Es wirkt wie, schau mal, wie süß ich bin, gefalle ich dir? Dieses bin ich okay für dich oder soll ich anders sein, wird Mädchen von klein auf signalisiert.

Jungen machen Abenteuer, kämpfen mit einem Schwert, sind Piraten und machen ihr Ding. Sowas erleben Mädchen in der Form nicht. Dann sind wir später bei dem Aspekt, als junge Frau nicht richtig sagen zu können, was ich eigentlich will. Sondern eher schaut, wie sie Freunde an sich bindet und Beziehungen aufrechterhält.

Und ich habe noch auch eine kleine Geschichte für euch, weil du gerade sagtest, Männer werden beklatscht.  Du wirst beklatscht und ich krieg die Klatsche. Ich hatte diese Woche keine Zeit, meine Tochter zur Erstkommunionsvorbereitung zu begleiten. Sie hat jetzt Erstkommunion. Wir bereiten das Fest vor und sie ist mit einer anderen Mutter mitgefahren. Danach bekam ich eine Sprachnachricht, mit den Infos für die Kommunion. Darin hieß es, die Nachricht geht eigentlich nur an mich, weil ich als einzige Mutter nicht da war.

Das wichtige ist, heute kann ich darüber lachen. Es macht mir nichts, weil ich weiß, was ich für meine Tochter tue. Ich merke aber diesen Nadelstich und weiß, dass das für viele Mütter wirklich schlimm gewesen wäre.

Hätte ich sowas bei meinem ersten Kind gelesen, ich hätte mich bin in alle Zeiten geschämt. Das ist ein großes Problem, das Beklatschen der Väter und auf der anderen Seite Müttern das Gefühl zu geben, es nicht richtig oder nicht genug zu machen. Und vor allem diese Haltung, ich habe das Recht dich zu kritisieren. Das war nicht die Absicht der Person, die das geschrieben hatte, aber mein Mann wäre dafür nie beschämt worden.

Das kann die Gesellschaft tun, damit Mental Load reduziert wird

Es wurde auch nicht an die Eltern geschrieben, die nicht da waren, sondern es war nur für dich?

Laura: Genau. In der katholischen Kirche sieht man ganz genau, wer hat Macht und wer macht Fürsorge. Das ist ein wunderbares Abbild unserer Gesellschaft. In der katholischen Kirche haben Männer Macht und die Frauen machen die Fürsorge. Sie sind Tischmuttern bei der Erstkommunion, putzen die Kirche, kümmern sich um alles, dürfen aber nicht mitreden.

Ich möchte das nicht provokativ sagen, aber in unserer Gesellschaft ist die männliche Macht durch patriarchale Strukturen stark vorhanden. Und Frauen werden in die Fürsorgeecke geschoben. Glücklicherweise verändert sich das, ich möchte nicht pessimistisch klingen.

Auch bei Männern ist eine Veränderung zu beobachten. Sie haben auch keine Lust mehr auf das System, nichtsdestotrotz merkt man als Frau doch eine gläserne Decke. Diese zu durchstoßen ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die wir ohne Männer nicht schaffen.

Wir müssen gemeinsam Gleichberechtigung fordern. Das hat mit Mental Load zu tun, Fürsorge soll nicht nur Frauensache sein. Gebt auch den Männern die Chance, das zu machen. Und beklatscht sie nicht für Dinge, die selbstverständlich sind. Denn das ist wiederum auch eine Beleidigung für die Männer. Die können das alles genauso gut.

Botschaft zum Merken:

Mental Load ist ein Gesellschaftsproblem und kein Problem des Individuums. Dafür tritt es zu häufig und flächendeckend auf. Frauen spüren ihn mehr, doch nur gemeinsam ist das Problem zu lösen.

Wenn du einen Wunsch frei hättest, was sollte sich politisch verändern, damit sich der Mental Load besser verteilt?

Laura: Vor allem ist es, der Fürsorgearbeit mehr Bedeutung beizumessen. Wer kümmert sich in der Gesellschaft so, dass er oder sie mental belastet ist? Wer hat deshalb auch zu wenig Geld? Altersarmut von Fürsorgenden ist ein großes Problem. Das heißt, nicht nur Erwerbsarbeit als Arbeit anzuerkennen, sondern auch die Fürsorgearbeit.

Ich will, dass nicht nur die Berufstätigkeit wertgeschätzt wird und sichtbar ist. Sondern auch die private Fürsorge. Das spielt dann auch in Fürsorgeberufe rein, die eher schlechter bezahlt sind.

Und ich finde, wir brauchen politisch motivierte Gleichberechtigung. In skandinavischen Ländern gibt es dafür Ministerien. In Deutschland erscheint das bislang nicht wichtig. Denn wir müssen auch Eltern politisch fördern und unterstützen. Sodass wir die Elternzeit gleichberechtigt verteilen.

Eltern haben da krasse Hürden. Zum einen verdienen die Männer in heterosexuellen Beziehungen mehr und dann ist es wirtschaftlich erstmal unsinnig, dass sie länger in Elternzeit gehen. Dann gibt es dieses Bild vom Vater, der in der Woche 40 Stunden und mehr arbeitet. Auch die 40 Stunden Woche sehe ich als Problem an. Wir brauchen viel mehr 30 Stunden Wochen und eine politische Förderung von gleichberechtigter Elternzeit.

Zudem sehe ich, dass Alleinerziehende oft gesellschaftlich allein gelassen werden. Sie haben das größte Mental Load-Problem und können es oft kaum mit jemandem teilen. Sie müssen dennoch Beruf und Fürsorgearbeit miteinander vereinbaren.

Ein konkretes Beispiel, in Schweden ist es meines Wissens so, dass der alleinerziehende Elternteil die Erwerbtätigkeit reduzieren kann. Das Geld, dass dadurch fehlt, wird bis zu einem bestimmten Betrag vom Staat wieder aufgestockt.

Zusätzlich ist ein flächendeckender Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen notwendig. Und das muss natürlich einhergehen mit einer entsprechenden Bezahlung von Erzieher*innen und Lehrer*innen. Da diese Menschen eine so wertvolle Arbeit machen und teilweise schlecht bezahlt werden. Im Vergleich, sagt dann der oder die Manager*in eines Autokonzerns, dass die Bezahlung aufgrund der Verantwortung so gut ist.

Ich kann mir keine krassere Verantwortung vorstellen, als Erzieher*in zu sein und sich um diese kleinen Menschen zu kümmern, sie zu versorgen und sie zu fördern. Und somit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

Mental Load zu mindern, können wir im privaten Bereich oft ein kleines Stück weit, wenn die Lebensumstände stimmen. Wenn ich kein Netzwerk habe, kein Geld habe, keine Partnerschaft, dann habe ich kaum Hebel in der Hand. Das muss die Gesellschaft erkennen, dass es Menschen sind, die sich einen abschuften und Entlastung brauchen. Es sind vor allem die, die viel Fürsorgearbeit machen.

Marielle: Diese Liste könnten wir auch noch so lange ergänzen. Es ist oft Thema, dass Eltern sich gleichberechtigter aufteilen wollen, aber nicht wissen wie. Weil das Wissen über die Elternzeit und das Elterngeld fehlt. Das ist in Deutschland komplex. Oft rutschen sie dann automatisch in klassische Modelle, weil es am einfachsten ist. Weil es so vorgelebt wurde. Ich bin dafür, damit anzufangen, die EU- Richtlinien für einen Väterschutz umzusetzen. Sodass Väter auch einen Schutz haben. Da ist noch einiges zu tun. Deutschland hat das als eines der wenigen Länder noch nicht umgesetzt.

Mehr Wertschätzung für Fürsorgearbeit, dann kann sich mental Load reduzieren

Laura: Diese paritätisch verteilte Elternzeit ist ganz maßgeblich, um Mental Load zu reduzieren. Viele Eltern sagen, das geht bei uns nicht. Es ist schwer, das zu machen, weil es auch immer finanzielle Gründe hat. Paritätisch verteilt bedeutet, dass ein Elternteil zu Hause ist und die ganze Familie managt. Und somit weiß, wie anstrengend das ist. In der anderen Zeit, wenn der oder die andere übernimmt, kommt der Vorteil, dass man sich voll auf den beruflichen Wiedereinstieg konzentrieren kann.

Um bei Stereotypen zu bleiben, wenn der Vater die zweite Hälfte der Elternzeit macht, lernt er zu Hause alles allein zu regeln. Und er hat nicht noch seine Partnerin nebendran, die schon alles viel besser kann.

Wichtig ist, dass wir selbst – Vater und Mutter – kompetente Elternteile sind, die die Familienorganisation kennen und können und wissen wie anstrengend es sein kann. Sodass beide es auch allein auf die Reihe bekommen. Und der andere Teil sich darauf verlassen kann, dass sie es hinkriegen. Sie machen es dann vielleicht anders, aber kriegen es hin. Und ich kann mich wieder vollkommen auf meine Berufsstätigkeit konzentrieren. Deshalb ist eine Teilung der Arbeit sinnvoll. Zu unserem Leben gehören beide Teile dazu. Wir wollen mit unseren Kindern sein, wir wollen Einfluss aufs Familienleben nehmen. Gleichzeitig wollen und brauchen wir unseren Beruf.

Für viele ist es schwer, das auszubalancieren. Wir brauchen die Politik, um Wege zu schaffen. Sodass Eltern auch die finanziellen Möglichkeiten bekommen, es paritätisch aufzuteilen, falls sie es wollen. Denn das ist maßgeblich, um mental Load vorzubeugen oder zu reduzieren.

Mike: Es wäre eine große Erleichterung, wenn der zweite Elternteil ebenfalls einen Kündigungsschutz mit Beginn der Schwangerschaft hätte. Das würde eine enorme Entlastung bringen.

Stereotype Rollenbilder in Bildungseinrichtungen pflegen das Problem

Was müsste sich in Kitas, Schulen und anderen Institutionen ändern, in denen Kinder viel Zeit verbringen und beeinflusst werden?

Laura: Das kommt ganz drauf an, wie dort mit Rollenbildern umgegangen wird. In Schulen werden schon auch stereotype Rollenbilder vermittelt. In Schulbüchern sieht man dann, was Aufgaben für Mama und welche für Papa sind. Teile ein. Da gibt es groteske Aufgaben.

Mike: Es ist sogar noch schlimmer. Es gibt Leselernbücher für Mädchen. Die sind dann Pink, mit Prinzessin und Fürsorge. Und dann gibt es Leselernbücher für Jungen. Die sind dann mit Abenteuern, Piraten, Monstern und alle retten die Prinzessin. Die sitzt dann zu Hause und kümmert sich um ihre Freundinnen und Kinder. So lernen die Kinder dann lesen.

Laura: Man kann es kaum glauben. Wir haben eine großartige Grundschule, da ist mir sowas noch nie aufgefallen. Aber ich kenne diese Bilder aus Twitter und CO., wenn Eltern diese Aufgaben fotografieren.

Und ja, so werden stereotype Rollenbilder weitergegeben, oft ganz unbewusst. Auch da möchte ich niemandem die Schuld in die Schuhe schieben. Was ich schade finde ist, dass wieder weniger männliche Erzieher haben. Da fängt es schon an, dass Kinder lernen könnten, dass sich Männer und Frauen um sie kümmern. Und jede*r es auf die eigene Art gut macht.

Dass es Sportlehrer und Sportlehrerinnen gibt, also Männer wie Frauen Dinge gut können. Es hat mit der Persönlichkeit zu tun und nicht mit dem Geschlecht. Man sollte auch nochmal ins Thema Schulbücher gehen. Teilweise finden sich darin rassistische Aufgaben. Wir sollten das Thema Gleichberechtigung mit in die Schule nehmen und von klein auf nahebringen. Also den Kindern das Gefühl geben, ihr könnt alle Arbeiten machen und jede Arbeit ist wichtig. Wenn ihr später mal Eltern werden wollt, dann könnt ihr das als Mann oder als Frau. Und wenn ihr als Frauen berufstätig sein und Karriere machen wollt, ist das auch in Ordnung.

Es Kindern so beibringen, dass sie frei wählen können. Unsere Kinder stecken in Schubladen fest. Das geht schon damit los, wenn Mädchen das Gefühl haben, schlechter in Mathe zu sein. Oder dass Jungen das Gefühl haben, sie können nicht gut malen oder tanzen.

Ich denke, dass man an vielen Stellen ansetzten kann. Beispielweise auch im Bereich Berufsbegleitung. Wie beraten Jobcenter junge Menschen bei der Berufswahl? Auch da braucht es Aufklärung für die Menschen, die dort arbeiten. Dass sie nicht anfangen den Frauen den Lehrerinnenjob schmackhaft zu machen, weil man damit später super eine Familie vereinbaren kann. Das könnte Männern genauso gut ans Herz gelegt werden. Und auch junge Männer möchten Erzieher werden und dann werden sie gefragt, wie sie davon eine Familie ernähren wollen. Was ist das für ein Druck auf jungen Männern? Wieso sollten sie allein mit ihrem Gehalt die Familie ernähren müssen?

Das beginnt schon so früh. Und dann sitzen wir da mit unserem Mental Load und unseren Beziehungsproblemen. Doch wir sind nicht schuld, sondern die Strukturen sind es. Das binäre Geschlechtersystem und all die stereotypen Rollenbilder. Da liegt die Wurzel allen Übels.

Mikes Erfahrung

Ich bin Psychologe und ich arbeite seit über 15 Jahren mit Kindern zusammen. Seit 6 Jahren auch im schulischen Bereich. Und da war es dann so, dass ich mich auf eine stellvertretende Leitungsposition in der Nachmittagsbetreuung beworben habe. In der Einrichtung arbeitete ich bereits und die Leitung wollte mich gerne für die Rolle haben.

Das ging allerdings gesetzlich nicht, weil Psychologen kein Teil der auserwählten Berufe sind, die eine solche Leitung machen dürfen. Zumindest an meinem Arbeitsort. Daraufhin habe ich das hessische Kultusministerium angerufen und habe nachgefragt, was man da tun kann.

Die Frau, die ich am Telefon hatte, fragte dann, „warum arbeiten sie denn überhaupt in der Nachmittagsbetreuung? Sie sind doch Psychologe, Sie können doch viel mehr Geld verdienen.“

Ich antwortete ihr, dass ich es mag und sehr gut in der Zusammenarbeit mit Kindern bin. Dass ich sie gut in ihrer Entwicklung begleiten kann und glaube in einer Leitungsposition mein Wissen noch besser einsetzen zu können. Sie meinte daraufhin, das ginge nicht. Als Psychologe könne ich mehr Geld verdienen, ich solle in einen anderen Beruf gehen, mit dem ich besser um meine Familie kümmern kann.

Laura: Du wurdest in eine Schublade gesteckt. Das Grundproblem daran ist, wenn man in dieser Schublade steckt, zu sagen, ich nehme diese Erwartung von außen nicht an. Das ist etwas, dafür braucht man sehr viel Selbstreflexion und sehr viel Selbstbewusstsein. Und wer hat das schon? Wir möchten den Erwartungen entsprechen und dem allem zu entsagen, ist leichter gesagt als getan. Wenn man Müttern beispielsweise sagt, es ist doch egal, was andere von dir denken.

Für Männer scheint die Aufgabe zu sein, viel Geld zu verdienen und damit dann die Familie zu ernähren. Ich finde es bescheuert, dass man das Männern einfach in die Schuhe schiebt ohne Rücksicht auf das, was sie gerne und gut machen. Man schaut nicht, was würde sich bestens eignen, sondern womit lässt sich viel Geld verdienen, um die Familie zu ernähren.

Unterm Strich wird schon deutlich, wo der Hund begraben ist. Vielleicht hilft es manchen Eltern zur Erkenntnis, dass nicht sie es verbockt haben.

Mental Load sichtbar machen und ihn gemeinsam organisieren

Wie lässt sich Mental Load besser verteilen oder vermeiden? Sowohl für Familien mit als auch ohne Kinder?

Laura: Da gibt es ganz wichtige Schritte. Zunächst mal Kommunikation. Man muss darüber reden, wie man den Alltag erlebt, was man nicht gut findet. Dass man sich über diese Schubladen austauscht und wie der Umgang damit sein soll. Paare sollten sich darüber austauschen, welche Aufgaben man gerne macht und welche nicht.

Ein Beispiel, ich fühle mich als Frau dafür verantwortlich Karten und Einladungen zu schreiben, die aber von uns als Paar formuliert sind. Eigentlich nervt es mich und ich möchte nicht in dieser Schublade stecken. Oder aber es kann ja auch sein, ich mache das mit dem Karten schreiben und dem Aufräumen gerne, aber ich möchte, dass es sichtbar ist. Weil ich mich nicht wertgeschätzt fühle, wenn diese Arbeit unsichtbar bleibt.

Also ich glaube, diese Kommunikation, wo stehen wir hier, welche Arbeit machen wir, wo wollen wir hin und was ist sichtbar, ist der wichtigste Schritt. Dann können Paare auch einschätzen, sollten wir jetzt Kinder bekommen und wie würden wir das dann machen? Welche Arbeiten sind uns wichtig und worauf kann man temporär verzichten?

Also sich zu fragen, was will ich? Und um nochmal die Frauen zu stärken, Frauen können das oft nicht. Weil wir dann an die Prinzessin denken, die immer sagt, was sie will.

Dann als Paar rauszufinden, wie würden wir es machen, wenn wir ein Kind bekommen? Wie würden wir die Arbeit aufteilen, sodass es sich für beide gut anfühlt?

Im nächsten Schritt heißt es, Fürsorgearbeit sichtbar zu machen. Zum Beispiel durch einen Wochenplan in der Küche. Dann treffen wir uns einmal sonntags in der Küche und besprechen, was nächste Woche anfällt und wer sich darum kümmert. Wenn wir auf einer Hochzeit eingeladen sind, dann klären wir, wer die Karte schreibt, wer sich um das Geschenk kümmert.

Das hat nicht unbedingt was mit Kindern zu tun. Paare können das generell machen. Oft ist es nämlich viel Arbeit und oft fühlt sich nur eine Person dafür zuständig. Wenn diese Person sagt, sie will das nicht mehr machen, dann müssen diese Aufgaben sichtbar gemacht werden. Indem man sie zum Beispiel auf einen Plan schreibt oder sich eine App runterlädt.

Damit man sich organisieren kann. Also wie auch immer die Aufgaben sichtbar machen und sie verteilen. Und ganz wichtig ist dieses wöchentliche Ritual darüber zu sprechen, weil, dann kann man auch direkt über andere Dinge sprechen. Wie geht es mir? Was brauche ich, was fehlt mir? Was haben wir zu tun? Wie können wir die Arbeitslast reduzieren? Können wir Dienstleistungen einkaufen, können wir unser Netzwerk dazu holen?

Und vor allem wann können wir mal Termine mit uns selbst machen oder mit uns als Paar? Das klingt in Kombination mit Terminen doof, aber das sind die wichtigsten Aufgaben, die oft hinten runterfallen. Da sie keine Deadline haben. Dinge, die uns glücklich und zufrieden machen, sei es Paar Zeit, Me- Time, Sport oder Lesen. Daran knapsen wir oft, dabei brauchen wir und unser Gehirn es mal runterzukommen. Und als Paar brauchen wir schöne Momente. Das kann auch schon ein Spaziergang sein.

Wenn wir das besser organisieren, verringern wie die Gefahr, dass diese wichtigen Dinge hinten runterfallen. Deshalb ist ein Organisationssystem wichtig, denn Alltagsorganisation ist immer eine Menge Arbeit. Da braucht es keine Kinder zu.

Marielle: Das ist bei uns genauso. Unser Game Changer war, regelmäßig darüber zu sprechen. Wir haben ein Whiteboard, auf dem wir alle Aufgaben sammeln. Es hängt mitten in der Wohnung und jedem dem was einfällt, schreibt es darauf. Und es ist ein großartiges Gefühl, die Sachen dann wegzuwischen.

Laura: Ganz genau das macht super viel Spaß und vielleicht kann man immer nach zehn weggewischten Tasks einen Kuchen backen, eine Flasche Wein aufmachen oder ins Kino gehen. Daraus kann man ruhig ein Spiel machen, denn es soll ja auch Spaß machen. Und vor allem machen wir damit die gesamte Arbeit sichtbar. Oft hat man abends das Gefühl nichts geschafft zu haben, dabei haben wir eigentlich den ganzen Tag organisiert und aufgeschrieben. Und das ist eben auch Arbeit und kann für unser Gehirn sehr anstrengend sein.

Praktischer Tipp zur Umsetzung:

Wenn Aufgaben nicht aufgeschrieben werden, sondern wenn sie im Hinterkopf bleiben, dann ist es anstrengend, weil es die ganze Zeit im Arbeitsgedächtnis bleibt. Und nicht abgelegt werden kann. Wir müssen es immer wieder hervorrufen, immer wieder aus der Schublade holen. Das ist anstrengend.

Deswegen ist hilfreich, es aufzuschreiben und an die Wand zu hängen. Dann ist es nicht mehr im Gehirn, sondern extern. Das ist eine Erleichterung.

Mental Load in diversen Beziehungsformen

Wie ist es mit der mentalen Belastung in anderen Beziehungsformen, wie z.B. polyamoren- oder homosexuellen Beziehungen?

Laura: Ich habe mich mit homosexuellen Beziehungen beschäftigt, weil ich die Frage interessant finde, wie sich gleichgeschlechtliche Paare die Arbeit aufteilen. Dazu gibt es gute Forschungen, unter anderem eine Doktorarbeit.

Ich kann nicht für einzelne Paare sprechen, doch insgesamt lässt sich sagen, dass sich gleichgeschlechtliche Paare, die Arbeit besser aufteilen. Besser meint in diesem Zusammenhang gleichberechtigterer.

Das liegt unter anderem daran, dass die stereotypen Rollenbilder keine so große Rolle spielen. Es gibt nicht den Mann, der bestimmte Aufgaben machen muss, weil er ein Mann ist. Oder eine Frau, weil sie eine Frau ist. Sondern diese Art der Geschlechterschubladen spielen in den meisten gleichgeschlechtlichen Beziehungen, innerhalb der Beziehung, keine große Rolle.

Es ist ein bisschen anders, wenn das Paar ein Kind bekommt. Dann ist es so, dass auch dort, aus ökonomischen Gründen, eine Person mehr Fürsorgearbeit macht. Oder länger zu Hause bleibt. Denn auch da scheint es auf den ersten Blick oft sinnvoller. Auch da wird danach entschieden, wie das meiste Geld reinkommt, wer mehr verdient. Es kann also auch zu einer als unfair empfundenen Arbeitsteilung kommen. Und somit zu Mental Load.

Was spannend ist, dass die Konflikte rund ums Thema Arbeitsteilung nicht so eskalieren. Weil auch da wieder Geschlechterbilder keine große Rolle spielen. Es ist schwierig das zu pauschalisieren, aber das was ich in Forschungen gelesen habe ist, dass diese Paare schneller zueinanderkommen.

Denn bei homosexuellen Paaren ist dieses Thema nicht ganz so konfliktbehaftet und sie kommen schneller zu fair verteilten Lösungen. Bei einem heterosexuellen Paar, bei dem der Mann mehr Fürsorgearbeit macht, kann er sich noch doofe Sprüche von z. B. Kollegen und Kolleginnen darüber abholen. Von wegen, wie du machst Frauenarbeit? Das führt vielleicht bei dem Mann dazu, dass er sagt, jetzt stehe ich als Depp hier, ich glaube, es ist doch nicht so mein Ding. Da spielen viele Faktoren mit rein, die in einer Beziehung für Ärger sorgen können.

Mit polyamoren Beziehungen habe ich mich bislang noch nicht tiefer beschäftigt. Ich finde es aber sehr spannend. Und ich stelle es mir kompliziert vor. Je mehr Beziehungen entstehen, desto mehr Konflikte können entstehen. Ich denke nicht, dass der mental Load in polyamoren Beziehungen geringer ist. Es kommt auch wieder darauf an, wer in dieser Beziehung ist und wie die Geschlechteranteile sind. Und ob Kinder mit im Spiel sind.

Ich möchte mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, doch ich würde sagen, dass homosexuelle Paare, eine höhere Chance haben, die Aufteilung von Anfang an fairer zu gestalten. Und fair ist immer subjektiv.

Ich habe noch ein Beispiel zum Thema Patchworkfamilien. Sie haben hohe Herausforderungen, was mental Load betrifft. Weil mehrere Menschen involviert sind. Es sind verschiedene Haushalte, vielleicht auch Alleinerziehende. Sie müssen ständig mit einplanen, dass das Kind am Wochenende zum anderen Elternteil geht. Hat es dort Hausschuhe? Muss ich noch die Zahnspange einpacken? Ich muss noch an die Medikamente erinnern.

Also bei mehreren Haushalten kann Mental Load eine große Problematik sein. Alleinerziehende sind zu über 80% Frauen. Sie müssen sich ganz oft auch noch um die Dinge kümmern, die sich dann beim Vater abspielen. Diese Dinge können auch Konfliktpotenzial innehaben. Da kann es passieren, dass man Dinge lieber nicht sagt und den Mental Load trägt, damit keine Konflikte entstehen. Weil wir froh sind, dass wir überhaupt miteinander reden.

Besonders alleinerziehende Mütter haben dann nicht nur einen Haushalt auf dem Schirm, sondern zwei. Und sie müssen dann auch noch Emotionsarbeit machen. Das bedeutet oft, die eigene Wut oder eigene Konflikte runterzuschlucken, zugunsten der Familie. Im Sinne von, wenn ich jetzt noch anfange aufzuzählen, was ich alles mache, sind wir wieder nur am Streiten.

Alleinerziehende haben häufig eine hohe mentale Belastung. Da bin ich selbst ein bisschen ratlos, weil das Thema so groß ist und ich keine guten Tipps habe. Sondern wir müssen das Thema in die Öffentlichkeit bringen. Um mehr Unterstützungssysteme für Familien zu schaffen.

Laura erklärt, wie du mit deinem Lieblingsmenschen über Mental Load sprechen kannst

Wenn ich merke, ich bin von Mental Load betroffen und möchte etwas verändern. Wie spreche in das Thema am besten bei meinem Lieblingsmenschen an?

Laura: Wichtig ist, erstmal mit sich selbst anzufangen. Sich zu fragen, wie geht es mir? Was läuft gerade schief? Und was belastet mich eigentlich? Das sind die ersten und manchmal die schwierigsten Fragen.

Ich erlebe es oft, dass Frauen sagen, sie wissen eigentlich gar nicht, was sie wollen oder brauchen. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Den müssen alle Betroffenen erstmal für sich klären und das kann ein bisschen dauern. Geht raus, spaziert mit dem Hund und überlegt euch, was will ich für mich?

Es braucht Mut, etwas verändern zu wollen. Viele sind gefangen in ihrem Alltagsstress, aber trauen sich nicht etwas zu verändern. Weil wir in unserer Komfortzone sind. Da rauszugehen ist häufig mit Ängsten verbunden. Das ist manchmal nicht leicht. Aber traut euch, es lohnt sich.

Dann könnt ihr ins Gespräch gehen und das auch wirklich vehement formulieren. Am besten mit ich- Botschaften. Damit du deinem Gegenüber nicht entgegen knallst, was er oder sie alles nicht macht. Wer keine Lust hat dieses komplexe Problem zu erklären, dem empfehle ich die Comics von Emma- Krautreporter. Oder ihr sucht euch einen Podcast und hört ihn gemeinsam an. Weil dann müsst ihr nicht als mental belastete Person in Erklärungsgespräche gehen.

Und dann geht es darum zu sagen, gemeinsam Lösungen für das Problem zu suchen. Sich zu entscheiden, welches Familien- Organisationssystem werden wir aufbauen, damit wir die Arbeit sichtbar machen können. Danach alles aufschreiben oder ins Handy diktieren.

Das letzte ist, sich ein Ritual zu etablieren, bei dem man regelmäßig über die Dinge spricht. Und ein Hinweis noch, es geht nicht nur darum, die Aufgaben zu verteilen, sondern die Verantwortung. Sodass man die andere Person nicht mehr daran erinnern muss.

So kann man Aufgaben langfristig verteilen und Arbeitspakete schaffen. Ein solchen System zu etablieren und den Prozess in Gang zu bringen, das dauert. Dafür braucht man Geduld mit sich selbst und mit der Familie. Man sollte nicht erwarten, dass alles sofort funktioniert. Lasst euch ein gutes halbes Jahr oder ein dreiviertel Jahr Zeit. Man muss lernen loszulassen und Aufgaben abzugeben.

Es braucht ein bisschen Übung, also Schritt für Schritt. Ich kann nur sagen hier geht es um Beziehungen. Und dieses Thema bringt viele Beziehungen auseinander. Es lohnt sich eine Beziehung nicht an solchen Dingen scheitern zu lassen.

Mike: Ich würde das noch ergänzen, um den Glauben daran, dass man etwas verändern kann. Wenn der Glaube nicht vorhanden ist, dann komme ich auch nicht ins Handeln rein. Es gibt zwei Möglichkeiten an den Glauben der Selbstwirksamkeit zu gelangen. Erstens: Sich zu fragen, warum gefällt es mir in der Rolle, in der ich bin? Was habe ich davon? Zweitens: Suche dir Menschen, die den Weg schon gegangen sind. Lerne von diesen Menschen und schau dir ab, wie sie es machen.

Wo kann man mehr von dir erfahren?

Laura: Auf meiner Website unter froehlichimtext.de. Bei Instagram unter mentalload_expertin. Außerdem habe ich zwei Bücher und ein Workbook geschrieben.  Diese findet ihr auch auf meiner Website, ebenso wie meinen Podcast „Lauras Mental Load Sprechstunde“.

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